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Theorie und Praxis unter einem Dach

Neue Zentrale der B·A·D-Gruppe in Bonn
Theorie und Praxis unter einem Dach

Der Bonner Neubau des Gesundheitsdienstleisters B·A·D lässt sich für viele Aufgaben nutzen: für betriebsärztliche Untersuchungen, Weiterbildungen und als Verwaltungsgebäude.

Hermann Kewitz

Die neue Unternehmenszentrale der B·A·D GmbH in Bonn zeichnet ein „V“ ins Quartier. Die Buchstabenform des im Frühjahr 2016 eingeweihten dreistöckigen Gebäudes darf als Kürzel verstanden werden. „V“ wie Vielfalt, denn der weiße, durch viel Glas transparente Bau umkleidet mehr als nur Büros. Von September 2014 bis Februar dieses Jahres entstand ein Multifunktionsraum mit Verwaltungsarbeitsplätzen, Kindergarten, Untersuchungs- und Schulungsräumen. Das „V“ könnte in gleicher Weise für Verbindung stehen, denn auch das macht die Zentrale des Unternehmens für Gesundheitsfürsorge und Sicherheitstechnik aus.
Professor Bernd Siegemund sagt es leichthin und mehr so nebenbei: „Wir bringen hier Theorie und Praxis zusammen.“ Der Vorsitzende der Geschäftsführung der B·A·D GmbH, einem der großen Anbieter im Bereich Arbeitsschutz und Gesundheitswesen in Deutschland, charakterisiert so den Neubau im Stadtteil Beuel. Freilich, der schlichte Satz vom Zusammenbringen, was in diesem Unternehmen untrennbar zusammen gehört, hat es in sich. Beim Rundgang durch das viergeschossige Gebäude lässt er sich immer neu und anders interpretieren.
Zunächst einmal ausgesprochen wörtlich: 110 Beschäftigte arbeiten in dem neuen Gebäude – die Mitarbeiter des Vertriebs, des arbeitsmedizinischen Zentrums Bonn und die des Tochterunternehmens und Weiterbildungsträgers concada GmbH. B·A·D wurde 1976 von 22 Berufsgenossenschaften gegründet und übernimmt unter anderem die betriebsärztliche Versorgung für zahlreiche Firmen und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Entsprechend groß und großzügig, sowie mit der notwendigen Diagnosetechnik ausgestattet, mussten deshalb die Untersuchungsräume ausfallen. In ihnen finden zum Beispiel Eignungs- und arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen statt.
Im übertragenen Sinn lässt sich die Idee einer Verbindung von Theorie und Praxis ebenfalls deuten: Als Experten für sicheres und gesundes Arbeiten brachte B·A·D sein „theoretisches Wissen“ bei der Gestaltung der Büros und Funktionsräume ein. Als Berater in eigener Sache. Das Architekturbüro sgp architekten und stadtplaner Hachtel und Bauer aus Bonn übernahm die Planung und fand für die Umsetzung die Ansprechpartner für diese Themen gleich beim Kunden selbst. Dass sich die Schreibtische in den Büros in Stehpulte verwandeln lassen, erscheint da fast selbstverständlich.
Vorbild beim Arbeitsschutz
Moderne LED-Beleuchtung setzt das passende Licht. Ein Unternehmen, das sich für Arbeitsschutz einsetzt, will entsprechend beispielgebend sein. Unternehmenschef Siegemund macht deutlich, dass man die eigene Expertise sehr bewusst eingebracht hatte. Architekt Hachtel beschreibt die Zusammenarbeit mit den Fachleuten von B·A·D als „hervorragend“ und „professionell“.
Die Büros sind zum Teil als feste Arbeitsplätze den Mitarbeitern zugeordnet oder als Shared Spaces nutzbar. Vor allem die Beschäftigten im Außendienst nutzen ihr „Büro“ eher als Basis für ihre Dokumentationspflichten, bevor sie zu den jeweiligen Kunden ausschwärmen. Schallschutz ist ein eher kleines Thema – jedenfalls im Büro. Denn hier wird nicht im Großraum, sondern in Zweier- oder Dreier-Büros gearbeitet. Dagegen erhielt die Dämmung nach außen große Aufmerksamkeit. Eine Bahnlinie führt nahe am Gebäude vorbei. Entsprechend isoliert sind vor allem die Fensterflächen.
Eine weitere Ebene des Verstehens von Theorie und Praxis öffnet sich unterm Dach des Neubaus mit einer Geschossfläche von 4 000 Quadratmetern. Hier sind die Schulungs- und Seminarräume eingerichtet. Die Praktiker für den Arbeitsschutz in den Unternehmen, die sich von B·A·D beraten lassen, erfahren dort alles zur Theorie ihres Aufgabenfelds. Weiterbildung erhalten hier auch die eigenen Mitarbeiter. Ein großzügiges Foyer, eine Cafeteria und die Dachterrasse weiten dabei nicht allein den „Bildungshorizont“.
Sie ermöglichen auch gerade den informellen Austausch während der Seminare. Die Fläche lässt sich mithilfe von flexiblen Wänden zu kleineren Einheiten oder zu einem großen Vortragssaal gestalten. Architekt Hachtel sieht gerade hier umgesetzt, was er als Aneignung des Gebäudes durch die Mitarbeiter postuliert. „Was passiert, wenn der Architekt gegangen ist? Wie können die Nutzer ihr Gebäude für sich passend gestalten?“ Der Seminarbereich eröffnet solche Freiheiten.
Zugleich soll die offene Gestaltung die Kommunikation fördern. Mitarbeiter anderer deutscher Standorte kommen hier zur Schulung zusammen. Der Subtext der Architektursprache soll ihnen vermitteln, wie sehr der informelle Austausch zur Unternehmenskultur gehört.
Zur Unternehmenskultur und damit zur Theorie einer familienfreundlichen Arbeitswelt zählt die Möglichkeit, Kinder im Vorschulalter geeignet zu betreuen und zu fördern. Ganz praktisch hat B·A·D gemeinsam mit dem Terminal for Kids, einem freien Träger betrieblicher und öffentlicher Kinderbetreuungseinrichtungen, eine eigene Kindertagesstätte im Erdgeschoss eingerichtet. „Ghostship“, so der Name der Kita, ermöglicht 40 Kindern, in drei Gruppenräumen einzuchecken. Küche und Spielgarten zählen ebenfalls dazu. Die Kita ist Teil des Quartiers wie die benachbarte Gastronomie oder der nicht weit entfernte Bahnhof in Beuel.
Engagement für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist Teil der Unternehmenskultur. Nicht von ungefähr bleibt Siegemund auf dem Weg durchs Gebäude an der Wand mit den Urkunden und Zertifikaten stehen, die B·A·D als Top-Arbeitgeber ausweisen. Das Unternehmen ist attraktiv für Arbeit-nehmer und will sich als lohnende Karriereplattform präsentieren. Es ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Inzwischen arbeiten 340 Angestellte am Bonner Standort.
Wachsende Mitarbeiterzahl
Dieser Schub erforderte auch den Bau einer neuen Zentrale. Siegemund sagt dazu: „Wir brauchten mehr Platz für unsere neuen Mitarbeiter. Zugleich wollten wir Einheiten wie den Vertrieb, die wir in gemieteten Büroräumen in der Nähe untergebracht hatten, zurück an unseren Standort holen.“ Dem Austausch zwischen Theorie und Praxis wollte man den geeigneten „Gesprächsraum“ bieten. Eine offene und unmittelbare Kommunikationsstruktur gehört zum Selbstverständnis und wird von der Geschäftsführung offensiv gepflegt. Acht Millionen Euro hat der Dienstleister auch für diese Art der Zusammenführung investiert.
Ein Glücksfall half dabei, der „Zerstreuung“ Einhalt zu gebieten. Die Telekom bot 2011 eines ihrer Dienstgebäude zum Verkauf an. Eine „alte Postbarracke mit Bunker im Keller“ wie sich der promovierte Biologe und Tiermediziner erinnert. Das Grundstück passte perfekt zur Planung, denn B·A·D unterhielt im Quartier bereits zwei Bürogebäude. Das neue V schafft nun auch die städtebaulichen Verbindungen zwischen diesen weiteren Einheiten. Es entstand eine Art B·A·D-Quartier.
Die Architekten mussten derweil eine Besonderheit beachten. Die Telekom hatte eine Glasfasertrasse für Beuel und St. Augustin verlegt, die keinesfalls überbaut werden durfte. Deshalb verwandelten die Planer den Freiraum in eine kleine Passage, die den Weg zu den beiden weiteren B·A·D-Gebäuden weist. Eine „Brücke“ über der Passage stellt die Verbindung zwischen den beiden Schenkeln des Vs ein. So entstand eine ganz praktische Verbindung zwischen den drei Einheiten.
Und das Stichwort der Verbindung nimmt das Gebäude selbst auf. „Es verwebt sich horizontal und vertikal mit den grünen Außenräumen. Es gibt überall Orientierung und Blickbeziehungen ins Grüne“, sagt Hachtel. Er spricht von einem natürlichen „Ein-, Aus- und Durchblick“. Bei der Planung legte er ebenfalls Wert darauf, dass sich alle Fenster öffnen lassen. Die Verbindung zur Außenwelt sollte nicht nur sichtbar, sondern wirklich erfahrbar sein.
Dafür enthielt sich B·A·D einer intensiven Darstellung des CI in den Räumen. Orange Streifen an den Wänden nehmen eher unaufdringlich das eigene Farbspiel auf. Was man sich gönnte: grüne Teppiche im Sinne der Unternehmensfarben. Ansonsten: viel Weiß, wie etwa die Fassade beweist. Die Idee dabei: Die Funktion eines Dienstleisters im medizinischen Bereich transponiert sich auf diese hell leuchtende, saubere Weise. Entsprechend vermisst man auch Kunst am und im Bau. Stattdessen fällt die klare, „hygienische“ Wandgestaltung ins Auge. Vielleicht auch, um nicht abzulenken.
Diese einsichtige Verbindung zur Natur spiegelt sich in der nachhaltigen Bauweise wider. Die Unternehmenszentrale entstand als sogenanntes Null-Energie-Haus. Das bedeutet: Die Bilanz zwischen dem Verbrauch von Strom und Wärme und der Gewinnung aus erneuerbaren Quellen ist ausgeglichen. Geothermie und Wärmerückgewinnung verringern die Heizkosten. Solarpanels auf dem Dach tragen dazu bei, den Stromhunger zu stillen. Der Architekt spricht nicht von einer Klimatisierung der Büros, sondern von einer Temperierung über die Betondecke, die über darin eingelassene Heiz- beziehungsweise Kühlschlangen für Wärme im Winter und Abkühlung im Sommer sorgen. Für die Kita entschied man sich für eine Fußbodenheizung, um so den Bedürfnissen der Kinder, auf dem Teppich zu spielen, besser gerecht zu werden.
Über Nachhaltigkeit dachte man ebenfalls bei der Wahl der Materialien im Innern nach: Decke, Boden und Wandbeläge sind nicht allein funktional. Sie wurden ebenso wie die Teppiche, das Holzparkett und die keramischen Fliesen nach ökologischen Gesichtspunkten ausgewählt.
Dazu passt: Die gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr erlaubte, die Zahl der Stellplätze für Autos in der Tiefgarage einzuschränken.

bautafel
Projekt: B.A.D Bonn-Beuel / Neubau Büro- und Verwaltungszentrum, mit Arztpraxen und Betriebs-Kita
Standort: Herbert-Rabius-Str. 7, 53225 Bonn
Bauherr: B.A.D-Gruppe, Bonn
Architekt/Innenarchitekt: sgp Hachtel / Bauer architekten + stadtplaner BDA, Bonn
Büroplaner und -fachhändler: Office Services GmbH, Seeshaupt
Akustikplaner: Schwinn Ingenieure, Bonn
Bauzeit: September 2014 – Februar 2016
Anzahl Arbeitsplätze: 110, davon 96 Büroarbeitsplätze
Nettogebäudefläche: 4 100  m²
Bruttogeschossfläche: 5 800 m²
Bruttorauminhalt: 21 100 m³
Baukosten: netto ca. 11,5 Millionen Euro
Mobiliar (Auswahl): Schreibtische aus den Programmen T_up und TC600USD, Dreh- und Besucherstühle Very, Schränke Vados, Rollcontainer und Caddys HC 1 und HC 3, Konferenz-tische Tibas von Haworth, KonferenztischeSeminarräume Delgado von Kusch+ Co., Konferenzstühle Goal 550 GT von Interstuhl, Teppichboden duraAir SL Typ: Office 1 von Dura, PVC-Boden Pur Wood von Objectflor, Lichtvouten SL 787 LED und Stehleuchten L 740 XL LED von Spittler

genauer hingeschaut
Zielsetzung: das Schaffen einer besseren und entspannten Gesprächssituation in den Büroräumen
Raumkonzept: Die niedrigen, mit Kissen versehenen Fensterbänke bieten sich als zusätzliche Sitzfläche für Besucher an. Die Arbeitsflächen sind so ausgerichtet, dass der Besucher von seinem Fensterbankplatz aus den Computerbildschirm einsehen kann.
Akustik: In den Büros ließ sich keine Akustikdecke installieren, weil die Temperierung über die Betondecke erfolgt. Deshalb übernehmen Akustikpanels im Raum die Funktion, den Schall in den Büros zu dämmen. Die Panels sind so gestaltet, dass sie zugleich als Pinnwand genutzt werden können.
Besonderheiten: Aufgrund der eingebauten Stromanschlüsse in der Tiefgarage lassen sich künftig mühelos Elektroautos betanken. Zudem gibt es Stellplätze für Fährräder.
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