Am 2. Dezember fand in Fulda das Bürotrendforum Gesundheit 2019 statt. Die zahlreichen Besucher konnten sich in elf Fachvorträgen über den aktuellen Stand von Theorie und Praxis zum Thema informieren.
Die Büroarbeitswelt befindet sich im Wandel. Ihre zunehmende Digitalisierung hat in Bezug auf die Gesundheit nicht nur positive Folgen. Es ist an der Zeit, über diese zu sprechen. Gelegenheit dazu bot das Bürotrendforum am 2. Dezember 2019 im ITZ Fulda, zu dem die Mensch&Büro-Akademie des Konradin-Verlags und das im PRIMA VIER Nehring Verlag angesiedelte Deutsche Institut für moderne Büroarbeit (DIMBA) eingeladen hatten. In vorweihnachtlicher Erwartung bekamen die Teilnehmer – zahlreiche Office-Worker und Entscheider für Gesundheits- und Ergonomiefragen – neue Erkenntnisse und praktische Lösungen zu hören.
Herausforderungen und Lösungsansätze
In seinem Einführungsvortrag stellte Dr. Robert Nehring, Leiter des DIMBA und Chefredakteur des Magazins Das Büro, fest, dass es um die Gesundheit im Büro derzeit nicht besonders gut stehe. Vor allem die Tendenz sei erschreckend. Allerdings mangele es oft nicht an spezifischem Wissen, sondern an der Umsetzung. Nehring formulierte sechs besondere Herausforderungen für die Gesundheit im Büro und empfahl dann jeweils sechs präventive Maßnahmen.
Der Mensch im Mittelpunkt
Andreas Stephan, Leiter des Sachgebiets Büro der VBG – Ihre gesetzliche Unfallversicherung, führte diese Überlegungen fort und berichtete über das Verhältnis zwischen neuer und gesunder Arbeit. Dabei warf er einen Blick auf die vorhandenen Regelwerke. Stephan plädierte dafür, den Menschen und nicht die Technik in den Fokus zu rücken. Dieser sei das Maß aller Dinge im Büro. Der heutige Mensch sei zum Beispiel größer und schwerer als seine Vorfahren, woran auch Möbel angepasst werden müssten. Aus der Arbeitsstättenverordnung ließen sich zwar konkrete Maßnahmen ableiten, problematisch sei aber auch bei ihr die unverhältnismäßig lange Zeit, um Normen zu erstellen und in politische wie rechtliche Entscheidungsprozesse umzumünzen.
Walkings statt Meeting
Der Facharzt Dr. Eric Söhngen, Mitgründer und Geschäftsführer von Walkolution, rief zu Beginn seiner Ausführungen die Zuhörer auf, sich von den Stühlen zu erheben und sich zu bewegen. Damit leitete er eine umfassende Kritik unserer Sitzkultur ein. Sportliche Aktivitäten nach der Arbeit würden daran nichts ändern. Zu langes Sitzen forciere Diabetes, Herzprobleme, Demenz und Depressionen. Dem sitzenden Lebensstil stellte Söhngen eine bewegende Arbeitsweise entgegen. Auch im Büro kann gelaufen werden.
Dicke Luft im Büro
Peter Skala von der unabhängigen Plattform MeineRaumluft.at demonstrierte mit einer Spontanmessung, wie schnell die Luftqualität in einem Konferenzraum oder Büro fallen kann. Die Öffentlichkeit müsse kreativ mobilisiert werden, um prekäre Luftverhältnisse in Arbeitsräumen zu verändern. Ein schlechtes Innenklima bedinge eine schlechte Produktivität. Die gesamte Bauplanung müsse in solche Umsetzungsprozesse einbezogen werden. Pflanzen änderten nur wenig an schlechter Luft in Büros.
Gesundheit in bewegten Zeiten
In der Mittagspause besuchten die Teilnehmer die begleitende Produktausstellung. Hier konnten insbesondere die Lösungen der Sponsoren Interstuhl, Linak, Ergotron und Salli ausprobiert werden. Im Anschluss sprach Dr. Martin Braun vom Fraunhofer IAO über gesunde Büroarbeit 4.0. Die Komplexität und der Vernetzungsgrad der Technisierung im Alltag und Büro nähmen laufend zu. Wir lebten in einer VUCA-Welt aus Unbeständigkeit (Volatility), Unsicherheit (Uncertainty), Komplexität (Complexity) sowie Mehrdeutigkeit (Ambiguity). Darauf habe sich die Ausgestaltung von Arbeitsformen wie -landschaften einzustellen. Während der Markt vielfältig werde, so Braun, müsse Vielfalt in den Unternehmen gezielt gefördert werden. Daraus folge ein neues Verständnis von Gesundheit, die nicht einen fixen Zustand beschreibe, sondern das Mittel angebe, um die neue Komplexität mit der richtigen Fitness und einem optimistischen Mindset zu bewältigen.
Mobilität richtig nutzen und einsetzen
Frau Dr. Patricia Tegtmeier von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) forderte dazu auf, die Folgen der Interaktion von Mensch und Maschine tiefer zu erfassen. Sie widmete sich der mobilen Arbeit auf Dienstreisen sowie im innerbetrieblichen Open Space. Schwierig sei, dass es keine optimale Körperhaltung bei der Verwendung von mobilen Touchscreen-Geräten gebe. Die Handgelenke seien eingeknickt, die Bewegung des Körpers auf die der Daumen reduziert. Zu den körperlichen Belastungsfaktoren kommen die psychischen hinzu, so die Angst vor Leistungsüberwachung und der gläsernen Belegschaft. Die Umstände und Formen der Mobilität müssten von den Usern mitbestimmt werden. Eine Mobilitätskompetenz seitens der Arbeitgeber und -nehmer sei erst im Entstehen.
Büroumgebungen als neue Erlebniswelten
Patrick Löchle, Geschäftsbereichsleiter Marketing und Produktmanagement bei Interstuhl, führte in seinem Vortrag aus, dass Arbeitsbereiche früher linear gebaut und genutzt wurden. Heute veränderten sich Büros in Richtung von Spiel- und Bewegungsräumen. Das Regelhafte und Geordnete werde dekonstruiert. Dabei entstünden vielfältige Erlebniswelten, welche die Identifikation und die Gesundheit erhöhen. Bürogesundheit sei nur in einem Mix aus Raumkonzepten, einer neuen Führungskultur und dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung zu haben. Bürostühle und -tische können dabei unterstützend wirken.
Auf und nieder immer wieder
Christian Renner, Leiter Marketing bei Linak, griff diesen Ansatz auf und sprach über die Motivation, die zu besserer Arbeit führe. Ein gut eingerichteter Arbeitsplatz sei heute die Basis im Kampf um die besten Köpfe. Während sich aber ergonomische Arbeitsplatzlösungen in großen Unternehmen durchgesetzt hätten, sei der Bedarf im Mittelstand und in kleinen Betrieben noch hoch. Wichtig seien hier intelligente und smarte Lösungen, die den Schreibtischbenutzer kontinuierlich daran erinnern würden, sich zu bewegen und seine Gewohnheiten zu verändern.
Kindliches Bewegen als Vorbild im Büro
Josef Glöckl, Gründer und Geschäftsführer von Aeris, stellte seine Vorstellungen von einem aktiven Büro vor. Das spontane Bewegungsmuster der Kinder könne ein Vorbild sein. Das aktive Büro sei ein Ort des Wechsels zwischen schwingendem Sitzen, beweglichem Stehen und hockendem Arbeiten. Und ein solches sei schon deshalb notwendig, weil aktuell 70 Prozent der Gesundheitsbudgets zur Beseitigung von Symptomen von Zivilisationskrankheiten ausgegeben werden.
Stressfaktor Raumakustik
Stefan Schütz, Geschäftsführer von Création Baumann, referierte über die Vorteile und gesundheitlichen Aspekte von textilen Raumtrennungen. Der Trend zu harten Böden und großen Glasflächen führe zu akustischen Problemen. Vorhangsysteme und Lamellenanlagen böten Abhilfe, da sie Schall absorbieren und dämmen und damit Stress reduzieren. Arbeitsgesundheit sei auch eine Frage der Regeneration und Privatheit inmitten agiler Umgebungen.
Angewendetes Wissen ist Macht
Ramon Jansson, Physiotherapeut und Exportleiter beim finnischen Hersteller von Sitzlösungen Salli, führte schließlich aus, dass nur dann aus Wissen Macht werde, wenn wir es anwenden. Arbeitgeber seien dazu verpflichtet, einen sicheren wie gesunden Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Nur neun Prozent der Office-Worker legten jedoch Wert auf ergonomische Stühle, was zu kaputten Wirbelsäulen und weiteren Krankheitsbildern führe. Das gute Sitzen müsse vielmehr die optimale Stellung des Beckens sowie eine bessere Atmung sicherstellen.
Als Sponsoren unterstützten die Veranstaltung: